St. Cäcilia
Eine Seite der Pfarrgemeinde NiederzierEine Zeitreise ins 12. Jahrhundert
Wir sind – das dürfen wir voller Stolz auch sagen – sehr erfreut darüber, in unserer Pfarrgemeinde in diesem Jahr unser 850-jähriges Kirchenjubiläum feiern zu dürfen. Und wenn wir das tun, dann ist es sicherlich auch für Sie interessant, einmal etwas über die Ereignisse jener Zeit zu erfahren, ganz unter dem Motto:
Wie war das eigentlich damals, als unsere Kirche geweiht wurde?
Wer lebte und vor allem wie lebte man zu dieser Zeit und was überliefert uns die Geschichte an Ereignissen und Besonderheiten?
Denn der Abstand von 8 ½ Jahrhunderten – bis zu unserer heutigen Zeit, ist schon gewaltig.
Daher laden wir Sie ein, eine kleine Zeitreise in die Mitte des 12. Jahrhunderts, jenem Zeitpunkt der Konsekration unserer Pfarrkirche, zu unternehmen:
Heute wissen wir, dass das zwölfte Jahrhundert als das zeitliche und ideelle Zentrum des sogenannten Hochmittelalters galt. Es bildete sozusagen die rechnerische Mitte. Aus diesem, aber auch aus sachlichen Gründen nennt man es die „Blütezeit“ des Mittelalters.
Das Hochmittelalter begann mit dem 10. Jahrhundert und wird in der Geschichte bis etwa 1250 datiert. In dieser Zeit war es vor allem das Rittertum, das römisch-deutsche Kaiserreich, das Lehnswesen und der Minnesang, der seine Blüte erlebte. Es war das Zeitalter der Staufer und vor ihnen der Salier und Ottonen. Die Bevölkerung wuchs und die einzelnen Staaten erlangten mehr Macht. Sowohl das Handwerk, als auch der Handel wurden von diesen gefördert und Bildung war nicht mehr nur der Kirche vorbehalten.
Aber die bekanntesten Ereignisse dieser Zeit waren unumstritten die Kreuzzüge, die hunderttausenden das Leben kosteten, bei dem Versuch die geheiligten Stätten vor den Moslems zu bewahren. Die Kirche spaltete sich während des Hochmittelalters und eine Zeitlang gab es gar zwei Päpste. Neue Königreiche entstanden und die Mauren begannen mit der Eroberung der iberischen Halbinsel, die erst einige Jahrhunderte später wieder vertrieben werden können.
Während des größten Teils des Jahrhunderts wurden Deutschland, Burgund und Italien von Kaiser Friedrich dem I. Barbarossa aus der Dynastie der Staufer regiert. Er wurde 1152 von den deutschen Fürsten zum König gewählt und er reiste 1155 nach Rom, um sich vom Papst zum Kaiser des „Heiligen Römischen Reiches“ krönen zu lassen. Durch den Investiturstreit des 11. Jahrhunderts zwischen Kaiser Heinrich IV. und Papst Gregor VII. war das Verhältnis zwischen Kaisertum und Papsttum gespannt und die Autorität des Königs in Frage gestellt.
Die Politik Friedrichs des I. Barbarossa zielte darauf ab, das Reich unter seiner Zentralgewalt wieder enger zusammenzufassen. Deshalb bekämpfte er selbstherrliche deutsche Gebietsfürsten wie Heinrich den Löwen und den Herzog von Bayern und Sachsen ebenso, wie die Selbständigkeitsbestrebungen der oberitalienischen Städte. Und er schuf neue Reichsgesetze, welche die Menschen vor räuberischer Willkür schützen sollten, er gründete neue Städte und befreite andere von landesfürstlicher Herrschaft, machte sie damit de facto zu „freien Reichsstädten“.
Das Leben der einfachen Menschen, und das trifft natürlich auch auf unsere Niederzierer Heimat zu, die zu über 80% Bauern waren, war kurz und beschwerlich. Die Lebenserwartung lag durchschnittlich kaum über 30 Jahren, und gearbeitet wurde von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Es wurde früh geheiratet, oft schon im Kindesalter und selten aus Liebe, wobei die arbeitsfreie Kindheit in der Regel schon mit fünf Jahren endete. Man wohnte in einfachen Häusern aus Holz, Stroh oder Naturstein. Nördlich der Alpen war in den Fenstern meistens noch kein Glas, sondern die Kälte wurde mit hölzernen Fensterläden oder Vorhängen aus Tuch oder Tierhaut abgehalten.
Weil künstliche Beleuchtung teuer war, ging man „mit den Hühnern“ schlafen, und ohnehin konnte noch fast niemand außer gebildeten Geistlichen, ein Buch lesen — sich erst recht keines kaufen -, denn Bücher waren der teuerste Luxus, den man sich im Mittelalter leisten konnte.
Man aß mit den Fingern, manchmal auch schon mit dem Löffel aus tönernen Näpfen; Teller waren noch nicht weit verbreitet, und Gabeln wurden bis ins 15. Jahrhundert als „Hexenwerkzeuge“ abgelehnt. Ein Messer, das die Männer sowieso als Waffe stets bei sich trugen, war zum Schneiden und Aufspießen des Essens immer dabei. Auf dem Speiseplan standen dieselben Haustiere wie heute, aber auch Krähen, Störche, Igel und Eichhörnchen. Zu jeder Mahlzeit wurde Brot gereicht, doch Gemüse gab es außer Rüben und Kohl kaum, und auf die Kartoffel sollte man noch 600 Jahre warten müssen.
Wer es sich leisten konnte, trank in Norddeutschland Bier, in Süddeutschland hauptsächlich Wein zum Essen und auf Festen. Den Ärmeren blieben nur Wasser und Milch. Da Vorratshaltung ohne Kühlung und Konservierung noch kaum möglich war, lebte man „von der Hand in den Mund“. Dass es trotz eines Bevölkerungswachstums, das noch nicht vom „schwarzen Tod“ also der Pest gebremst wurde, relativ selten zu großen Hungersnöten kam, ist bei den immer noch primitiven Anbaumethoden auf den zunehmenden Einsatz von Pferden als Zugtiere und vor allem auf die verstärkte Waldrodung zurückzuführen, durch die sich die landwirtschaftlichen Nutzflächen immer mehr vergrößerten.
Das Leben in der Stadt war im 12. Jahrhundert der Ausnahmefall — im rechtlichen wie im zahlenmäßigen Sinne. Nicht mehr als 3 bis 5% der Reichsbevölkerung lebten in Städten, und dazu zählten im Mittelalter schon Ortschaften ab 100 Einwohnern.
Seitdem sich allerdings herumsprach, dass städtischen Gemeinden seit Kaiser Heinrich IV. einige Sonderrechte zugesprochen worden waren, nahmen die Einwohnerzahlen vieler Städte rasch zu. Denn zu den zugestandenen Rechten gehörte es, dass „Stadtluft frei macht“: Wer sich als Unfreier in eine Stadt abgesetzt hatte, erwarb nach einem Jahr und einem Tag, wenn nicht inzwischen sein Leibherr erschien, um ihn zurückzufordern, das städtische Bürgerrecht — und damit die Freiheit. Das übte naturgemäß eine Anziehungskraft aus, welche nicht nur die Städte schnell anschwellen ließ, sondern auch zahlreiche Neugründungen beförderte.
Im Rahmen seiner Hoheit über die Regalien wie dem Zoll-, Markt- oder Münzrecht besaß der Kaiser das Recht, neue Marktorte zu gründen. Um diese herum bildeten sich Siedlungen von Kaufleuten, die sich bald zu Städten ausweiteten. Für das Recht, in diese Städte ziehen, Handel treiben zu dürfen und dabei kaiserlichen Schutz vor Räubern und landesherrlichen Ansprüchen zu genießen, ließ sich der Kaiser bezahlen.
Nachdem sich dieses Abkommen für beide Seiten als einträglich erwiesen hatte, war auch Friedrich I. daran gelegen, das Wohlergehen seiner Schützlinge, von denen er ja profitierte, durch städtische Ausnahmerechte zu fördern. So nahm er z.B. im Jahre 1156 die Bürger von Augsburg, und im Jahre 1182 die Einwohner von Köln gegen die Anmaßungen ihrer Bischöfe in Schutz und begründete damit ihren späteren Status als „freie Reichsstädte“.
Als allerdings die Mainzer im Jahre 1160 versuchten, sich von ihrem Bischof zu befreien, indem sie ihn ermordeten, nahm Friedrich das sehr übel. Auch einigen Städten in Norditalien (hier besonders Mailand), die nach dem Vorbild Venedigs das Reichsregiment abschütteln wollten, bekam ihr Frevel gegen die staufische Adelsideologie schlecht: In mehreren Feldzügen überzog sie der Kaiser mit Krieg und Zerstörung.
Außerhalb der Städte, und das betraf somit rund 95% der Bevölkerung, teilte sich die Gesellschaft in unfreie Menschen, die man auch „Hörige“ oder „Leibeigene“ nannte, und Freie, zu denen die Ritter, die Geistlichen und der Adel gehörten. Die Unfreien unterstanden einem Grundherrn, für den sie an 3 bis 5 Tagen in der Woche arbeiten mussten und dem sie außerdem aus ihrer privaten Produktion Naturalien abzugeben hatten. Sie durften das Land, auf dem sie lebten, nicht ohne Erlaubnis ihres Herrn verlassen und unterlagen im rechtlichen Streitfall seiner Gerichtsbarkeit. Sie konnten von ihrem Herrn totgeschlagen, verschenkt oder verkauft, aber auch freigelassen werden.
Für die wesentlich kleinere Gruppe der Freien galt das System einer sich nach oben verjüngenden Lehenspyramide: Einfache Freie oder Ministeriale dienten meistens als bezahlte Angestellte höheren Herren, konnten aber auch selbst Grundherren und als solche Lehensleute eines Freiherrn oder Ritters sein. Diese wurden schon dem Adelsstand zugerechnet. Über dem Ritter stand lehensrechtlich ein Landesfürst, etwa ein Graf, Markgraf oder Herzog. Diese bekamen ihre Lehen ebenso wie die Reichsbischöfe und Reichsäbte, die vielfach auch Landherren waren, vom König verliehen. Alle Mitglieder der Lehenspyramide, die wegen ihrer Abstammung vom germanischen Gefolgschaftswesen mit der „Heerschildordnung“ gleichgesetzt werden kann, waren also mehr oder weniger direkt durch ihren Lehenseid auf die Treue zum König verpflichtet und hatten sich seinen Gesetzen und seiner Justiz zu unterwerfen.
Die Geisteswelt des 12. Jahrhunderts war fast völlig von der kirchlichen Lehre bestimmt. In dem Maße, wie das Christentum den ehemals germanischen Raum allmählich durchdrungen hatte, setzte es sich in Deutschland und sogar in Skandinavien als alleinseligmachende Lebensvorschrift durch. Die vorchristliche Glaubenswelt hatte sich auf einzelne Sonderbereiche wie Magie, Fastnacht und literarische Formen zurückgezogen oder war vom Christentum absorbiert worden. Dieser Prozess der ‘inneren Mission’ war im Zeitalter Friedrich Barbarossas abgeschlossen. Von dem Bewusstsein gestärkt, nunmehr die erhabenste Stufe des Menschentums erreicht zu haben, ging man daran, das „Heilige Land“ und das ebenfalls teilweise islamisch beherrschte Spanien zurückzuerobern und die letzten heidnischen Bastionen Europas niederzureißen. Gleichzeitig mit den Kreuzzügen setzte eine neue Phase ein. Als nun die ersten Universitäten gegründet wurden (Bologna 1088, Paris 1150), war es unter dem Eindruck der allgemeinen religiösen Emphase auch hier unmöglich, Wissenschaft unter anderen als unter christlichen Vorzeichen zu betreiben. Theologie war die vornehmste Disziplin, und entsprechend wurde an den griechisch-römischen Bildungsfundus, der ja nicht zufällig zu heidnischer Zeit gewachsen war, kaum angeknüpft.
Baugeschichtlich fing Anfang bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts in Frankreich und Italien bereits die Gotik an, doch im Deutschland Friedrichs des I. wurden die vielen neuen Kirchen und Burgen noch ganz im Stile der Romanik errichtet.
Zum besseren Verständnis Beispiele romanischer Bauten:
• sind der Speyrer Dom
• die Kathedrale von Santiago de Compostela
• die Kirchen in Pisa, Lucca
• Westminster Abby
• oder der Limburger Dom
Beispiele gotischer Bauten:
• das Straßburger Münster
• mit dem Bau der Pariser Kathedrale Notre-Dame wird im Jahre 1163 begonnen
• mit der Kathedrale von Reims 1210
• die Grundsteinlegung des Kölner Doms 1248
• des Freiburger Münsters 1270
• und der Chorbau des Aachener Münsters im Jahre 1355
Darüber hinaus brach sich in der deutschen Literatur so etwas wie eine kulturelle Revolution bahn: Nachdem der Übergang von der althochdeutschen Sprachstufe zum Mittelhochdeutschen vollzogen war, verabschiedete sich die „schöne Literatur“ zusehends vom Lateinischen und bediente sich der Volkssprache. Zu Beginn von Barbarossas Regierungszeit erschien die erste Geschichtsdichtung in deutscher Sprache, die „Kaiserchronik“, geschrieben von einem Regensburger Geistlichen, die unter anderem vom Beginn des ersten Kreuzzuges berichtete.
Die vier berühmtesten mittelhochdeutschen Dichter, Hartmann von Aue, Walther von der Vogelweide, Gottfried von Straßburg und Wolfram von Eschenbach, und der unbekannte Schöpfer des „Nibelungenliedes“ waren in der Mitte des 12. Jahrhunderts geboren und erreichten in den Folgejahren der Konsekration unserer Pfarrkirche den Höhepunkt ihres Schaffens.
Abschließend verweisen wir auf eine kleine Auswahl von Persönlichkeiten (hier und da mit Ereignissen), die zum Zeitpunkt der Konsekration unserer Kirche um das Jahr 1165 lebten. Es wird Sie erstaunen, auf welch illustre Schar man dabei stößt.
Zum Beispiel
• überbrachte der spätere Kölner Erzbischof Rainald von Dassel am 23. April 1164 die Reliquien der Heiligen Drei Könige von Mailand nach Köln
• am 02. Oktober 1165 – also nur wenige Wochen nach unserer Kirchenweihe – wurde jener Rainald von Dassel durch Phillip, Bischof von Osnabrück und Graf von Katzenelnbogen zum Kölner Erzbischof geweiht
• Und eben jener Phillip, Bischof von Osnabrück und Graf von Katzenelenbogen war es auch, der die Konsekration unserer Pfarrkirche am 30. August 1165 vollzog
Er regierte in den Jahren 1141 bis 1173 und unternahm zu dieser Zeit im Kölner Erzbistum sogenannte Pontifikalfunktionen, zu dem auch die Weihe von Kirchen und Altären gehörte – hier z. B. auch die Altarweihe in der Unterkirche von St. Gereon – der Heimatkirche der Hl. Ursula – in Köln. Die in unserer Kirche gefundene Reliquienkapsel beinhaltete laut Siegel und Aufschrift eben auch Gebeine der Gefährtinnen der Hl. Ursula, deren Ausgrabung auf dem Ursulanischen Marterfeld durch den damaligen Deutzer Abt Gerlach im Jahre 1155 durchgeführt wurde.
Ein Blick in die Zeittafel zur Geschichte unseres Ortes Niederzier belegt darüber hinaus, dass bereits im Jahre 922 der damalige Kölner Erzbischof Hermann I die „Villa Cyrina“ dem in Gründung befindlichen Stift St. Ursula Köln übertrug. Die Geschichtler sind sich allerdings nicht ganz einig, ob es sich bei „Cyrina“ um Niederzier oder Oberzier gehandelt hat. Jedenfalls wurde das in unserem Gebiet befindliche Stiftssprengel St. Ursula zu diesem Zeitpunkt hier vor Ort zum ersten und zum letzten Mal geschichtlich belegt.
Weitere Beispiele von Persönlichkeiten und Ereignissen, die vor oder unmittelbar zu unserer Kirchenkonsekration zu nennen sind
• das Jahr 1162: Friedrich Barbarossa erobert Mailand und lässt es völlig zerstören
• im Konsekrationsjahr 1165 übernahm z. B. Hildegard von Bingen die Leitung des Klosters Eibingen bei Rüdesheim
• Saladin, der legendäre erste Sultan von Ägypten und Syrien, der 1187 die Stadt Jerusalem von den christlichen Kreuzfahrern in der Schlacht bei Hattin zurückeroberte, war erst 28 Jahre alt
• Richard I. Löwenherz, der spätere König von England war gerade einmal 8 Jahre alt
• Dschingis Khan der spätere mongolische Herrscher, der durch die Vereinigung der mongolischen Stämme das Mongolische Reich begründete, war gerade einmal 3 Jahre alt
• Dominikus, der Anfang des 13. Jahrhunderts den nach ihm benannten „Dominikanerorden“ gründete, wurde erst im Jahre 1170 geboren
• und erst 16 Jahre später, im Jahre 1181 wurde Franz von Assisi, der den franziskanischen Orden der Minderen Brüder gründete und als Heiliger sowie Patron Italiens und der Tiere verehrt wird, geboren
• 1165 gründet sich die Stadt Leipzig und ihr werden die Stadt- und Marktrechte verliehen
• und auf Betreiben Kaiser Friedrich I. Barbarossas wird Karl der Große durch Rainald von Dassel, Erzbischof von Köln, unter Billigung des Gegenpapstes Paschalis III., heiliggesprochen
• erst 1166 erfolgt die Weihung des Bonner Münsters
• im Jahre 1167 erobert Friedrich Barbarossa die Stadt Rom;
Wir haben bewusst nicht explezit über die interessante Geschichte unserer Kirche berichtet. Sie ist nach unseren intensiven Recherchen im Jahre 2013 so vielfältig, dass wir Ihnen diese zum Festtag am 29.+30. August in diesem Jahr mündlich, vor allem aber in Form einer umfangreichen Festschrift mit vielen Bildern und Hintergrundinformationen zur Verfügung stellen werden.
Sie können die geschichtliche Entwicklung über unsere Seite St. Cäcilia → hier – aber auch über die Wissensplattform WIKIPEDIA → hier nachlesen.
Wir hoffen, dass die zusammengetragenen Hinweise informativ und auch etwas unterhaltsam für Sie sind. (Recherche und Zusammenstellung: Matthias Biergans)